Infektionen, Verdauungsstörungen und Organfunktionsstörungen sind oftmals Ursachen für Schlafstörungen und nicht erholsamen Schlaf. Zu diesem Ergebnis kommt die Auswertung zweier Diagnostik-Beobachtungsstudien und eines anschließenden Behandlungsmonitorings von 166 Patienten mit chronischen Schlafstörungen.
Die Patienten wurden parallel allgemeinmedizinisch, labormedizinisch und mikrobiologisch sowie mittels der Diagnostik der Traditionellen Chinesischen Medizin untersucht. Es wurden bei 92 Prozent der Patienten Verdauungsstörungen, bei 70 Prozent Organfunktionsstörungen und bei 79 Prozent Infektionen und Mischinfektionen festgestellt.
Anschließend wurden die Patienten gegen diese Infektionen und die Organfunktionsstörungen behandelt. Das Monitoring der Behandlungserfolge unterstreicht, dass diese häufig ursächlich für Schlafstörungen sind. Es zeigt auch, dass nach der Behandlung der körperlichen Ursachen Patienten trotz Stress und psychischer Faktoren nachhaltig erholsamer schlafen.
Verdauungsstörungen und Organstörungen stehen oft mit chronischen Schlafstörungen in Korrelation. Diese können demnach auch das Resultat einer Ursachenkette sein, bei der eine infektbedingte Milz-Überbelastung zu einer Nieren-Überbelastung (Milz-Nieren-Yin-Schwäche) führen und mit weiteren Organfunktionsstörungen (Leber und Herz) in Wechselwirkungen stehen. Für viele Ärzte und Patienten sind solche Zusammenhänge neu.
Therapeutische Aufgeschlossenheit und die kontinuierliche Compliance der Patienten sind Voraussetzungen des Behandlungserfolgs durch integrierte Ursachenmedizin (gleichzeitige abgestimmte Diagnostik und Therapie sowohl durch moderne westliche Medizin als auch Traditionelle Chinesische Medizin). Bei 90 Patienten mit hoher Compliance führte die Behandlung bei 87 Prozent zu guten bis sehr guten Verbesserungen des Schlafs; bei 23 Patienten mit geringer Compliance wiesen nur 35 Prozent gute bis sehr gute Besserungen auf.
Die Ergebnisse der Diagnostik-Beobachtungsstudien und des Monitorings zeigen, dass chronische Schlafstörungen vieler Patienten bei ursächlicher Behandlung generell vermeidbar sein können. Die hohe Zahl chronischer Schlafstörungen in der Bevölkerung sollte auf diesem Hintergrund befragt werden. Denn wenn allgemein- und schlafmedizinische Maßnahmen sich z. B. auf psychosoziale Symptombehandlungen (Schlafmittel) oder Behandlungen von Schlafapnoe konzentrieren, dann besteht die Gefahr, dass Infektionen und Organfunktionsstörungen als Ursachen für Schlafstörungen/nicht erholsamen Schlaf vernachlässigt werden.
Das Behandlungsmonitoring zeigt auch, dass die Compliance der Patienten stark von finanziellen Rahmenbedingungen abhängen. Ein Umdenken der Leistungsträger und Anerkennung der Ergebnisse ursächlicher Behandlung könnte ein gesellschaftlicher Beitrag zur Kostenentlastung im Gesundheitssystem sein. Würden die Kostenträger Leistungen der integrierten Ursachenmedizin übernehmen, dann wären lange Leidensgeschichten chronischer Erkrankungen vielfach vermeidbar.
Als Schlafstörungen/nicht erholsamem Schlaf (Insomnie) werden Beschwerden medizinisch dann bezeichnet, wenn diese mehr als sechs Monate bestehen und Menschen dadurch in ihrer Lebens- und Leistungsqualität dauerhaft beeinträchtigt werden. Chronische Schlafstörungen werden in „akute“ (bis ca. vier Wochen) und „subakute“ unterschieden (die sich schleichend und während einer Dauer von sechs Monaten entwickeln). (1)
Unbehandelte Infektionen, insbesondere mit pathogenen Hefen der Spezies Candida und mit Bakterien wie Helicobacter pylori, aber auch Parasiten können unentdeckt oder unbehandelt Teil der Verursachungskette von Schlafstörungen sein. Denn solche Infektionen verursachen eine Überbelastung des Immunsystems und schaden dauerhaft der Milz. Dies wiederum kann zu Störungen der Nierenfunktionen und Beeinträchtigungen der Leberleistung führen. Organfunktionsstörungen und Infektionen in Wechselwirkungen werden oft durch Verdauungsstörungen sichtbar. Bleiben diese Prozesse ursächlich unbehandelt und werden nur ihre Symptome behandelt (etwa durch Schmerzmittel, Beruhigungsmittel oder Verdauungshilfen), dann können Beschwerden chronisch werden. Zu diesen zählen neben psychischen Auswirkungen (bis zu Depressionen) insbesondere auch Schlafstörungen/nicht erholsamer Schlaf.
Chronische Schlafstörungen können anzeigen, dass die genannten Wechselwirkungen schon über längere Zeit als körperliche Prozesse wirksam sind. In diesen Prozessen wirkt dann nicht erholsamer Schlaf auf die Leistungsfähigkeit der Organe zurück. Dies begünstigt Immunschwächen und Anfälligkeit für erneute oder weitere Infektionen.
Resultat ist ein Kreislauf von Wirkursachen und Wechselwirkungen, der oft nur durch umfassende Diagnostik erkannt und mit integrativen medizinischen Maßnahmen behandelt werden kann.
Diese Erfahrungen aus der ärztlichen Praxis waren leitend für zwei Diagnostik-Beobachtungsstudien und ein Behandlungsmonitoring. Auf ihrem Hintergrund wurde derselbe Zusammengang aus drei Blickwinkeln betrachtet. Ziel der Beobachtungen war die Überprüfung der ärztlichen Erfahrung, dass durch die Behandlung von Infektionen und Organfunktionsstörungen bei der Wiederherstellung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit sich auch eine deutliche Verbesserung der Schlafqualität zeigte.
Die Diagnostik durch Allgemeinmedizin, Immunologie und mikrobiologischer Laboratoriumsmedizin wurde im MVZ Ärztehaus Mitte in Berlin vom Facharzt für Immunologie und Laboratoriumsmedizin Dr. Sebastian Pfeiffer durchgeführt. (2)
Die komplementärmedizinische Diagnostik erfolgte in der Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin Wang/Xie Berlin, unter Leitung von Bei Wang, Oberärztin (Shanghai) und Heilpraktikerin. (3)
Die Koordination der Behandlungen sowie das Monitoring der Behandlungserfolge im MVZ und in der TCM-Praxis wurde vom Normamed-Service und Team des MVZ Ärztehaus Mitte durchgeführt. (4)
Die „Apotheke im Regierungsviertel“ Berlin stand auf Wunsch der Patienten zusätzlich als Beraterin der Patienten zur individuellen Anpassung von Kräuterrezepturen der TCM zur Verfügung.
Die Dauer der Studien betrug vier Jahre, inklusive Vorbereitungszeit fast acht Jahre. Dies war insbesondere der Etablierung der Kombination zwischen moderner westlicher Medizin, mikrobiologischer Labormedizin und Traditioneller Chinesischer Medizin geschuldet. Auch war die Einführung von studienspezifischen Koordinations- und Qualitätssicherungsroutinen für die komplexe Patientenführung auf Basis von Normamed-Standards erforderlich. Dies diente sowohl der Sicherung der Qualität der Untersuchungsergebnisse (z. B. durch besondere Leitfäden zur mikrobiologischen Probengewinnung) als auch zur Sicherung einer möglichst hohen Compliance der Patienten. In dieser Hinsicht erwies sich die „Lotsenaufgabe“, die dem Normamed-Service im Ärztehaus und in der TCM-Praxis zukam, als wichtige Komponente für eine erfolgreiche Behandlung.
Infektionen und Organfunktionsstörungen stehen bei Studien zu Schlafstörungen eher nicht im Brennpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Obwohl die Empfehlung im Raum steht, sich den Auswirkungen von Infektionen auf chronische Beschwerden zu widmen, ist die Studienlage dazu im Vergleich zu anderen Ansätzen (z. B. Schlafapnoe, psychosoziale Gründe, psychischer Stress) eher dürftig. So hat auch eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts von 2004 zur pathogenetischen Bedeutung von intestinaler Candidabesiedelung (5) seither kaum zu Studien geführt, die den genannten Zusammenhang untersuchen. „Wie immer, wenn die Datenlage unbefriedigend ist, entsteht Raum für Spekulationen. Eine solche für Patienten wie für die behandelnden Ärzte unbefriedigende Situation lässt sich nur durch sorgfältige Studien und den damit verbundenen Erkenntniszuwachs entschärfen.“ (5: 596) Diese Empfehlung des RKI blieb bisher in Hinblick auf die Korrelation von Schlafstörungen und Infektionen und Organfunktionsstörungen unberücksichtigt.
Die Gründe für die wissenschaftliche Abstinenz, sich den genannten Ursachenkreisläufen und Wechselwirkungen in Studien zuzuwenden, liegt sicherlich auch in einer wissenschaftlichen Medizinkultur, die Studien zu komplexen Zusammenhängen sehr erschwert. Gerade wenn Menschen chronisch leiden, durch körperliche Beschwerden bis zu Schmerzen und Verzweiflung sehr in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind, benötigen sie medizinische Behandlung. Mit solchen Menschen Studien über längere Zeiträume durchzuführen, die randomisiert und doppelblind durchgeführt werden, mit Kontrollgruppen und gar Placebos arbeiten und somit den Anforderungen sogenannter evidenzbasierter Medizin genügen, widerspricht zutiefst einer medizinischen Ethik, die entsprechende Menschenversuche nicht billigen kann.
Die Plausibilität von Ursachenketten und Behandlungsmöglichkeiten ist also nur zu gewinnen, wenn sich Patienten während ihren Untersuchungen und den sich dann anschließenden Behandlungen freiwillig beobachten lassen. Das setzt ihre hohe Bereitschaft zu ihrer Mitwirkung voraus. Der Leidensdruck bei chronischen Schlafstörungen befördert dabei zunächst sicherlich die Compliance. Für nachhaltige Behandlungserfolge muss die Compliance der Patienten aber über einen langen Zeitraum erreicht werden. Handelt es sich um Behandlungen, die sowohl schulmedizinisch als auch komplementärmedizinisch durchgeführt werden, ergeben sich zudem interdisziplinäre Erfordernisse an die Behandlungskombination. Lange Planungen sind erforderlich sowie die Absicherung der Durchführung über einen längeren Zeitraum. Dafür benötigen die Patienten eine Betreuung, die über das übliche Maß bei Studien und Behandlungsmonitorings hinausgeht. Zusätzliche Erschwernisse sind Ängste vor medizinischen Routinen, wie sie etwa während der Corona-Pandemie angeordnet wurden. Auch für Ärzte stellt die Verbindung unterschiedlicher medizinischer Perspektiven eine große Herausforderung dar. Medizin ist immer auch ein Prozess des Wandels gewesen, in dem neue Erkenntnisse zu Richtungswechseln bei Diagnostik und Therapie führten. Und dieser Wandel verlief nie ohne Widerstände, auch wenn er letztlich dem Wohle der Patienten diente.
Mit den beiden Diagnostik-Beobachtungsstudien und dem Behandlungsmonitoring liegen nun erstmals umfassende Ergebnisse von Langzeitbeobachtungen zur Verursachung von Schlafstörungen durch Infektionen und Organfunktionsstörungen vor, die über einen Zeitraum von vier Jahren von 2018 bis 2022 durchgeführt wurden. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, ursachenmedizinisch und wissenschaftlich die Korrelationen weiter zu untersuchen. Deshalb werden die Langzeitbeobachtungen der genannten Studien auch weitergeführt und auf andere Beschwerdebilder (ab 2023: Migräne/Kopfschmerzen) ausgedehnt.
Laut der Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) von 2015 leiden 30,3 Prozent der Frauen und Männer an Ein- oder Durchschlafstörungen (drei Mal pro Woche und häufiger). (6) In der modernen westlichen Medizin werden Schlafstörungen im Rahmen eines „Insomnie-Syndroms“ betrachtete. Wenn Frauen und Männer dreimal oder häufiger pro Woche an Ein- und/oder Durchschlafstörungen leiden, sowie über eine reduzierte Schlafqualität verfügen und von Tagesmüdigkeit und/oder Erschöpfungszuständen berichteten dann werden sie in dieser Hinsicht als „positiv“ betrachtet. Für das »Insomnie-Syndrom« ergab sich eine Häufigkeit von 7,7 Prozent für Frauen und 3,8 Prozent für Männer. Bei Personen mit niedrigem Sozialstatus hatten Frauen ein höheres Risiko für das Vorliegen eines Insomnie-Syndroms als Männer. Stressbelastungen, depressive Symptome, Burn-out-Syndrom und Schlafstörungen weisen laut DEGS1 enge Zusammenhänge auf. Mit steigender Stressbelastung, so heißt es, nimmt die Belastung durch depressive Symptome, Burn-out Syndrom und Schlafstörungen zu. So leiden laut Erhebungen Menschen mit einer unterdurchschnittlichen Stressbelastung nur zu 17,0 Prozent an mindestens einer dieser drei Störungen, Personen mit starker Stressbelastung hingegen zu 61,1 Prozent. Hierbei sei zu beachten, dass einerseits eine hohe Stressbelastung die Entwicklung weiterer Störungen befördere, es aber auch umgekehrt möglich sei, dass zum Beispiel Schlaf- oder Angststörungen das subjektive Stresserleben erhöhen. (7), (8)
Die Ergebnisse der Diagnostik-Beobachtungsstudien und der Behandlungs-monitorings zum Zusammenhang von Schlafstörungen, Infektionen und Organfunktionsstörungen, die in der vorliegenden Analyse betrachtet werden, weisen auf Zusammenhänge hin, die in solchen Statistiken ausgeblendet werden. Die Ergebnisse legen die Empfehlung nahe, Schlafstörungen nicht nur in Verbindung mit psychosozialen Faktoren zu betrachten, sondern auch als Ergebnis körperlicher Prozesse im Rahmen eines oft unbeachtet bleibenden epidemiologischen Geschehens. Nach wie vor handelt es sich z. B. bei Infektionen mit pathogenen Hefen der Spezies Candida und bei Infektionen mit Bakterien wie Helicobacter pylori um „Volkskrankheiten“. Ihre Vernachlässigung erscheint nach den Ergebnissen der im Folgenden analysierten Beobachtungsstudien so fahrlässig wie die allgemeine Fokussierung der heutigen Medizin auf Folgen von Virusinfektionen und eine verhältnismäßig hohe Vernachlässigung der Mikrobiologie. Während eine Fülle von klinischen Studien über die Folgen von Infektionen mit neuen Viren für Erschöpfungszustände spekulieren, werden langjährig bekannte Verursacher vieler Beschwerden verharmlost oder ignoriert.
Ursachenketten und Wechselwirkungen bei Schlafstörungen umfassen selbstverständlich physische und psychische Prozesse. Dabei geht den chronischen Schlafstörungen aber oft ein schleichender, oft unmerklicher Prozess voraus, in dem unentdeckte oder unbehandelte Infektionen zu Organfunktionsstörungen führen – so insbesondere der Milz, der Nieren, der Leber und der Gallenblase. Merklich werden diese Funktionsstörungen im Laufe der Zeit insbesondere über Verdauungsstörungen wie Durchfall, Verstopfung und wechselnde Stühle, Sodbrennen und Unverträglichkeiten, aber auch über andere Beschwerden. Zu diesen gehören neben Gelenkerkrankungen und Gliederschmerzen, häufigen Blasenentzündungen, Hautbeschwerden, Erschöpfung und Burnout insbesondere auch Schlafstörungen.
Verfestigen sich solche Störungen, dann können sie ihrerseits wieder auf die Verdauung und die Organtätigkeiten zurückwirken, mit anderen Störungen zusammenwirken und z. B. über die Funktionsstörung der Milz auf das Immunsystem einwirken, sodass der Schutz des Körpers gegen die Auswirkungen neuer Infektionen fortschreitend mehr und mehr nachlässt. Bei chronischen Beschwerden hat sich oft ein Wirkungskreislauf entwickelt, der ursächlich nur schwer und oft nur mit umfassendem medizinischem Wissen und mit großer Erfahrung zu durchbrechen ist (Abb. 1). Das Resultat ist vielfach der Verzicht auf Ursachenmedizin und die Behandlung einzelner Symptome.
Ein Schlüsselorgan im Prozess der Wechselwirkungen ist die Milz. Ihr kommt insbesondere bei Infektionen eine wichtige regulative Funktion zwischen Immunsystem und Organen zu – und in ihrem Zustand spiegelt sich der Belastungszustand des Körpers. Infektionen verursachen eine Überbelastung des Immunsystems und schaden dauerhaft der Milz. Dies wiederum kann zu Störungen der Nierenfunktionen und Beeinträchtigungen der Leberleistung führen. Organfunktionsstörungen und Infektionen in Wechselwirkungen werden oft durch Verdauungsstörungen sichtbar.
Erstaunlich ist es deshalb, dass in der modernen westlichen Medizin in Studien solche gesamtkörperlichen Prozesse nur selten Widerhall finden. Deutlich ist eine Konzentration auf psychische Faktoren und auf mechanische körperliche Faktoren, die in Schlaflaboren untersucht werden können (vgl. Abschnitt 2). Entsprechend fokussieren sich Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen auch auf diese Zusammenhänge (Abb. 3). Zur Behandlung von Schlafstörungen sind in der modernen westlichen Medizin neben Stressreduktion und Bewegungsverhalten Schlaftabletten immer noch Mittel der ersten Wahl.
Komplexe körperliche Prozesse im Zusammenhang und im Verlauf sind mittels diagnostischer Techniken der modernen westlichen Medizin nur bedingt möglich – oft fehlt ihr die Möglichkeit des Beobachtens kleiner Veränderungen. So aussagekräftig Laborwerte und bildgebende Verfahren auch sind, sie liefern doch immer nur eine Momentaufnahme des körperlichen Zustandes. Über feinere Unterscheidungsmöglichkeiten verfügt teils die Traditionelle Chinesische Medizin, insbesondere wenn es um Organfunktionsstörungen im Zusammenspiel geht (Abb. 4). Auch hier aber gibt es eine Vernachlässigung von Infektionen in der Ursachenkette. Sowohl in der modernen westlichen als auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin ist das Fehlen einer systematischen Berücksichtigung der Mikrobiologie ein Grund, für die Überbewertung des Psychischen als Verursachungsfaktor für Schlafstörungen.
Erst die Verbindung der modernen westlichen mit der Traditionellen Chinesischen Medizin und beider mit der Mikrobiologie ermöglicht bei vielen Beschwerden, die Resultate von Ursachenketten und Wechselwirkungen sind, eine ursachenmedizinische Diagnostik und Therapie (Abb. 5). Dabei ist es zunächst hilfreich, nicht sogleich psychische Faktoren in den Vordergrund der Diagnostik zu rücken. Dies kann Therapieentscheidungen einseitig beeinflussen. Allerdings wird dadurch auch generell die medizinische Einschätzung von Schlafstörungen geprägt, was nicht für Patienten, sondern auch für das Gesundheitssystem problematische Folgen haben kann.
Die übliche Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen im Rahmen der modernen westlichen Medizin ist mit dauerhaft hohen Zahlen von Menschen konfrontiert, die chronisch an nicht-erholsamem Schlaf leiden. Die statistische Betrachtung zeigt, dass dauerhaft nicht wirksame Behandlungen hohe Kosten im Gesundheitssystem erzeugen. Oft werden dabei Folgekosten nicht miterfasst, wie sie etwa durch psychische Probleme erzeugt werden, die von Schlafstörungen mitverursacht werden können. Da sich die Kostenträger zudem an den Maßnahmenkatalogen primär der modernen westlichen Medizin orientieren, ist für viele Patienten der Weg einer integrativen Behandlung versperrt. Die erforderliche Compliance der Patienten gerät in Konflikt mit hohen privaten Behandlungskosten. (9)
Dieser Zusammenhang zeigt sich zum Beispiel in der gemeinsam vom Robert-Koch-Institut und von Destatis getragenen Gesundheitsberichterstattung des Bundes. (10) In diesem werden Schlafstörungen neben u. a. Angststörungen, depressiven Störungen und Alkoholabhängigkeit dem Modul „Psychische Gesundheit“ zugeordnet, weil sie als Faktoren gelten, die zum Entstehen von psychischen Störungen beitragen. (10: 114) In der Folge kommt es in der Klassifikation zu einer Zuordnung der Schlafstörungen zu Krankheiten des Nervensystems oder zu Störungen der Psyche und des Verhaltens:
„Insomnien gehören zu den häufigsten Schlafstörungen. Für die Diagnose einer (nichtorganischen) Insomnie müssen laut ICD-10 folgende Kriterien vorliegen: Ein- oder Durchschlafprobleme dreimal oder häufiger pro Woche für einen Zeitraum von mindestens vier Wochen sowie eine schlechte Qualität des Schlafs. Außerdem müssen in Folge der Schlafprobleme Tagesmüdigkeit, Erschöpfungszustände oder Beeinträchtigungen der sozialen Funktionsfähigkeit vorliegen. Je nach vermuteter organischer oder psychogener Ursache werden Insomnien in der ICD-10 (International Classification of Diseases in der zehnten Überarbeitung) als G47 Schlafstörungen (Kapitel VI Krankheiten des Nervensystems) oder F51 Nichtorganische Schlafstörungen (Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen) klassifiziert.“ (10: 116)
Schlafstörungen gelten also sowohl als Verursacher psychischer Probleme wie Depression (11), als auch als verursacht durch Verhaltensprobleme wie Bewegungsmangel, durch beruflichen oder familiären Stress (12), (13) oder durch Grunderkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes (14):
„Schlafstörungen sind mit einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Gesundheitsstörungen verbunden. So ist beispielsweise eine Insomnie (…) ein Risikofaktor für das spätere Auftreten von Depression (…). Unabhängig vom Alter steht zu wenig Schlaf in Beziehung zu Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck sowie zum metabolischen Syndrom (eine Kombination aus den Risikofaktoren Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Insulinresistenz) (…). Darüber hinaus ist Schlafmangel mit psychosozialen Beeinträchtigungen wie Tagesmüdigkeit, mangelnder Konzentrationsfähigkeit, Stress, schlechterem allgemeinen Gesundheitszustand und mangelndem psychischen Wohlbefinden verbunden (…).“(10)
Infektionen (insbesondere Candida spec.) und Mischinfektionen (insbesondere Candida spec. und Helicobacter pylori) sowie durch diese bedingte Organfunktionsstörungen werden in der Ätiologie von Schlafstörungen bisher wenig berücksichtigte und untersucht. (15)
In der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) (16), werden Infektionen als Ursache oder Mitverursachung von Schlafstörungen nur allgemein erwähnt und zwar im Zusammenhang mit Fatigue und Erschöpfungszuständen (16: 11), mit Virusinfektionen des ZNS bei letaler familiärer Insomnie (16: 25), bei Hypersomnie (16: 38), insbesondere bei rezidivierender Hypersomnie im Kleine-Levin-Syndrom (16: 92), bei Schlafapnoe im Säuglingsalter als mögliche auslösende Faktoren (16: 136).
Eine besondere Beachtung des möglichen Zusammenhangs zwischen Infektionen mit pathogenen Hefen und Schlafstörungen erfolgt in der S3-Leitlinie („Schlaf/Schlafstörungen“) nicht. Pathogene Hefen finden mangels Studien keine Berücksichtigung und lediglich Viren, Bakterien und Parasiten werden betrachtet.(17) Auch Störungen der Organe und ihre Rolle bei der Verursachung von Schlafstörungen werden in der S3-Leitlinie nicht systematisch berücksichtigt. Organfunktionsstörungen werden zwar im Rahmen differenzialdiagnostischer Abgrenzungen erörtert (etwa bei Enuresis nucturna) (16: 111), eine Wechselwirkung mit Infektionen und Störungen wird nicht betrachtet, ein Zusammenhang mit Störungen des Immunsystems wird nur angedeutet (16: 38), lediglich im Kontext des Kleine-Levin-Syndroms wird eine autoimmune Grundlage vermutet (16: 92).
Auf diesem Hintergrund widmete sich die Beobachtungsstudie „Zum möglichen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen, infektbedingten Magen-Darmerkrankungen und Organfunktionsstörungen“ (2) aus Sicht moderner westlicher Medizin dem genannten Zusammenhang. Sie betrachtet es als ihre Aufgaben „zur Motivierung sowohl weiterer Studien als auch der Berücksichtigung von Infektionen bei der Therapie bei subakuten und chronischen Schlafstörungen (Insomnie) (18) (…) Infektionen über Labordiagnostik sorgfältig zu dokumentieren und soweit möglich (…) Organfunktionsstörungen durch Laboranalytik, Sonografie und EKG zu erfassen“.(2) (Zur Unterscheidung von akuten, subakuten und chronischen Schlafstörungen vgl. die Diskussion der Ergebnisse des Vorgehens und der vorliegenden Studie in Abschnitt 6).
Die Beobachtungsstudie beschreibt mögliche Wechselwirkungen zwischen physischen und psychischen Prozessen auch aus immunologischer Sicht und referiert Studien, die die Wechselwirkungen zwischen Gehirnaktivitäten und Aktivitäten des Immunsystems im Zusammenhang mit Infektionen untersuchen.
Dabei werden Infektionskrankheiten mit Schlafstörungen in Verbindung gebracht. Die referierten Studien zeigen wie Candida albicans und Helicobacter pylori Schlafstörungen bedingen können, wenn sie das Atmungs- (19) und das endokrine (20: 13), (21) System sowie das Verdauungssystem (22: 13), (23) beeinflussen.
Wenn also pathogene Hefen und Bakterien derart mit Schlafstörungen über Wechselwirkungen zwischen physischen und psychischen Systemen und verbunden sind, dann ist die Frage plausibel, welche Auswirkungen Infektionen und durch sie primär bedingte Organfunktionsstörungen (der Milz, Leber und Nieren) auf den Schlaf haben. Die Beobachtungsstudie sieht sich im Zusammenhang einer Untersuchung der Entwicklung von chronischen Schlafstörungen als Resultat kumulierter und kombinierter Organfunktionsstörungen, die sich aus einer infektionsbedingten Überlastung der Milz und in der Folge der Nieren ergibt. Insofern legen die Ergebnisse dieser Studie einen neuen Zugang zur Frage der Verursachung von Schlafstörungen auch in der modernen westlichen Medizin nahe.
In der die Beobachtungsstudie „Zum möglichen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen, infektbedingten Magen-Darmerkrankungen und Organfunktionsstörungen“ (2) wurden von August 2018 bis April 2022 166 Patienten eines medizinischen Versorgungszentrums für integrative Medizin in die Beobachtungstudien aufgenommen.
Die Dauer der Schlafstörungen der Patienten bei Studieneintritt lag bei 73 Patienten zwischen 1 und 5 Jahren, bei 50 Patienten zwischen 6 und 10 Jahren und 43 Patienten gaben an, schon mehr als 10 Jahre an Schlafstörungen zu leiden. Insofern litten alle beobachteten Patienten an chronischen Schlafstörungen.
Die Beobachtung der Patienten erfolgte laut Beobachtungsstudie durch Auswertung serologischer und mikrobiologischer Laboranalytik, von Ultraschalluntersuchungen und des EKG-Einsatzes. Serologie, Ultraschall und EKG erfolgte durch technischen Standardeinsatz. Die mikrobiologische Materialgewinnung und die Auswertung des Materials wurden, wie in der Beobachtungsstudie spezifiziert, besonders sorgfältig durchgeführt. Schlafstörungen der Patienten wurden im Rahmen von Beschwerdebehandlungen der Patienten in der laufenden ärztlichen Praxis bekannt. Es wurde zur Erfassung der Schlafstörungen eine ausführliche Anamnese durchgeführt, die in der Beobachtungsstudie dokumentiert wurde.
Die Ergebnisse der Beobachtungsstudie zeigten, dass 92 Prozent der 166 Patienten mit chronischen Schlafstörungen Verdauungsbeschwerden aufwiesen, 79 Prozent Infektionen und 70 Prozent Organfunktionsstörungen (vgl. Abb. 6). Bei 77 Prozent der Patienten mit Schlafstörungen war das Bild der Verdauungsbeschwerden auffällig bis stark. Die Patienten wurden in standardisierten Anamnesen mittels Zehnerskalen auch über ihre Einschätzungen zu subjektiv empfundenen Beschwerdestärken befragt.
Bei 70 Prozent der Patienten der Beobachtungsstudie wurden Infektionen mit pathogenen Hefen gefunden, bei 24 Prozent Infektionen mit H. pylori und bei 17 Prozent Mischinfektionen (vgl. Abb. 7).
Die Beobachtungen der sonografischen Untersuchungen ergaben in Verbindung mit Schlafstörungen, dass 45 Patienten (27 Prozent) sichtbare Leberfunktionsstörungen und 33 (20 Prozent) Nierenfunktionsstörungen aufwiesen.
Schon diese Zahlen für sich genommen sprechen für einen Zusammenhang von Organfunktionsstörungen und Schlafstörungen bei gleichzeitig vorhandenen Infektionen. Die Beobachtungsstudie weist aber darauf hin, dass zu einer genauen Bestimmung der für Schlafstörungen ggf. relevanten Organfunktionsstörungen der modernen westlichen Medizin eine diagnostische verfeinerte Technik fehlt. Die Nutzung von Ultraschall und serologischer Laboranalytik ergäbe ein Organzustands- und Wertebild, das sich durch zum Beispiel die Einbeziehung der Pulsdiagnostik der Traditionellen Chinesischen Medizin ergänzen ließe. Genau dies wurde dann in der parallel mit demselben Patientengut durchgeführten TCM-Diagnostik-Beobachtungsstudie deutlich (vgl. Abschnitt 6).
Im Gegensatz zur modernen westlichen Medizin verfügt die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) über eine jahrhundertelange Erfahrungsgeschichte.
Auch Schlafstörungen werden in ihr schon in frühesten schriftlichen Zeugnissen thematisiert, so zum Beispiel im Huangdi Neijing (24). Die Auswirkungen von Milz-, Nieren- und Leber-Störungen auf den Schlaf werden im Zusammenhang mit Verdauungsstörungen erörtert.
Eine Schwierigkeit der Anerkennung der medizinischen Erfahrungen und Erkenntnisse der TCM liegt darin begründet, dass diese seit frühester Zeit in natürlicher Sprache dargestellt werden – und dass die moderne westliche Medizin im Fehlen einer wissenschaftlichen Terminologie ein „Validitätsproblem“ der TCM sieht.
Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Diagnostik, in der wechselseitige Übersetzung von wissenschaftlicher Begriffssprache und medizinischer Bildsprache zeigt, dass es auch in bildlichen Darstellungen Abstraktionen wie in wissenschaftlicher Terminologie gibt. Die Aufnahme der TCM-Diagnostik in ICD-Kataloge (25) und die Anstrengungen der WHO, Standardisierungen der Diagnostik durch Übersetzungswerke zu befördern, (26) zeigt, dass sowohl die westliche als auch die östliche Medizin umfassende Erkenntnisse zu einer integrativen Medizin beitragen können. (27)
Um aber die Wertigkeit der TCM-Diagnostik aus Sicht der modernen westlichen Medizin nachvollziehen zu können, ist immer noch der Nachweis erforderlich, dass beide Sprachen über denselben Sachverhalt sprechen. Dies wird von der im Folgenden dargestellten TCM-Studie (3) mit Bezug auf Organfunktionsstörungen bei Schlafstörungen getan. Allerdings ist festzuhalten, dass moderne westliche Medizin und TCM-Schlafstörungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten.
Aus Sicht der TCM ist der Körper in fünf Funktionssysteme unterteilt: Leber, Herz, Milz, Lunge, Niere, die als „Organnetzwerke“ bezeichnet werden. Diese Netze steuern bestimmte Gewebe, geistige Fähigkeiten und körperliche Aktivitäten, indem sie Qi, Blut und Körperflüssigkeit regulieren und erhalten. In der Sammlung typischer medizinischer Fälle der Traditionellen Chinesischen Medizin werden Schlafstörungen vier Syndromen zugeordnet. Hauptsymptome dieser Syndrome im Zusammenhang mit Schlafstörungen sind eng an Organfunktionen gekoppelt: der Typ „Leber-Qi-Stagnation, die sich in Feuer umwandelt“ wird von der Leber kontrolliert, der Typ „Schleim-Hitze-interne Störung“ von den Lungen, der Typ „Hyperaktivität des Feuers aufgrund von Yin-Mangel“ von den Nieren und der Typ „Herz- und Milzmangel“ von Herz und Milz (vgl. Tabelle 1).
Die moderne westliche Medizin stützt sich auf polysomnographische Messungen, (u. a. durch Elektroenzephalogramm (EEG)-, Elektromyogramm (EMG)- und Elektrookulogramm (EOG)-Signale). Beim apparatebasierten Schlafmonitoring wird zwischen Wachzustand, REM-Phasen (Rapid Eye Movement, z. B. Träumen) und Nicht-REM-Phasen (z. B. Tiefschlaf) unterteilt. (28), (29), (30) Andere apparatebasierte Diagnostikmethoden wie etwa Ultraschall-Diagnostik kommen wegen der Ausblendung von Organen wie Nieren-, Leber- und Milzfunktionsstörungen bei Schlafbetrachtungen nur selten zum Zuge – und offenbar nur, wenn TCM im Kontext der Untersuchungen steht (2).
Insofern unterscheiden sich die TCM und die moderne Medizin in der Klassifizierung des Schlafs völlig. Da es aber in der vorliegenden Analyse erstmalig gerade um die Einbeziehung von Organfunktionsstörungen in die umfassende ätiologische Betrachtung von Schlafstörungen geht, ist das Verständnis der TCM-Schlafstörungsdiagnostik sowohl für die ausgewerteten Studien wichtig – als auch modellhaft für künftige Studien zur Wertigkeit integrativer Medizin. Die Schlafbetrachtung durch Modelle der modernen westlichen Medizin allein scheint hier nicht sinnvoll – zumal es analog zu nicht-apparativen Diagnostiken der TCM in der modernen westlichen Medizin kein tragfähiges Vorgehen gibt. Dies wird bei systematischem Einsatz der TCM-Diagnostik deutlich.(3)
Die oft geäußerte Kritik aus Sicht der westlichen modernen Medizin an Traditioneller Chinesischer Medizin, dass deren diagnostische und therapeutische Validität nicht durch quantitative Messverfahren nachgewiesen werden kann, resultiert oft aus Unkenntnis gegenüber modernen technologischen Entwicklungen auch bei der TCM. Dies betrifft sowohl die apparatebasierte Diagnostik (etwa bei der Puls- und Zungendiagnostik) als auch die Nutzung intelligenter Diagnostiksysteme. Besonders vielversprechend hierbei sind Kombinationen von Künstlichen Neuronalen Netzwerken (KNN) (31) mit Expertensystemen (32) im Rahmen von Adaptiven Neuro-Fuzzy-Inferenzsystemen (ANFIS) (33), (34), die Lernen, Assoziation, Erkennung und Informationsverarbeitung auf dem Feld der TCM integrieren und so den Besonderheiten komplexer Organnetzwerke Rechnung tragen. (35)
Im Rahmen der Diagnostik der TCM wird jedes Organ des menschlichen Körpers als ein integraler Bestandteil des Ganzen betrachtet. Die Organe arbeiten zusammen, ergänzen sich gegenseitig und interagieren im gesunden Zustand gut – und selbstverständlich auch bei der Entwicklung von Krankheiten, wenn Störungen vorliegen. Der Funktionszustand der inneren Organe kann über die Organe der Körperoberfläche (Augen, Mund, Lippen und Zunge) abgebildet werden. Wenn die Funktion der inneren Organe geschädigt oder erkrankt ist, zeigen die Organe an der Körperoberfläche unterschiedliche Anzeichen. Die Traditionelle Chinesische Medizin ermittelt die Signale von Schädigungen durch vier Diagnosen: Untersuchung durch Inspektion, Hören und Riechen, Befragung und Ertasten.
Bei der Inspektion werden die Körperform, die Zunge, der Zungenbelag und die Gesichtsfarbe der Patienten betrachtet. Durch Veränderungen können Krankheiten lokalisiert und bestimmt werden. Abweichungen davon in Form, Belag, Farbe, Feuchtigkeit usw. sind für den erfahrenen TCM-Arzt Hinweise auf Störungen der Organfunktionen. Das Erscheinungsbild der normalen Zunge ist blassrosa, leicht feucht glänzend oft mit einem weißlich-klaren Belag überzogen. Bei einer Störung der Milz ist die Zunge geschwollen und in der Mitte der Zunge zeigt sich eine Kerbe. An Veränderungen in bestimmten Zungenregionen kann also erkannt werden, wie Organfunktionen beeinträchtigt sind (Abb. 9). Auch kann die Zungenbetrachtung einen (mikrobiologisch zu prüfenden) Infektionsverdacht ergeben: Eine Furche oder Kerbe in der Mitte der Zunge weisen auf eine Magenstörung hin, wie sie sehr oft durch eine Infektion mit Helicobacter pylori verursacht wird.
Entsprechend werden Krankheiten durch Horchen auf die Stimme des Patienten und Beurteilung seines Körpergeruchs diagnostiziert. Die Befragung hat die Form einer gründlichen Anamnese und dient der Überprüfung der Systemzusammenhänge. Dazu gehören körperliche und seelische Empfindungen, die Lebensgeschichte, die Familiengeschichte, die frühere medizinische Vorgeschichte, der Zeitpunkt des Auftretens und die aktuellen Symptome. Ertastet werden zum Beispiel verschiedene Pulse des Patienten, durch die Rückschlüsse auf Interaktionen der Organe in Organnetzwerken gezogen werden können (Abb. 10).
Die verschiedenen Pulspositionen werden jeweils unterschiedlichen Organen zugeordnet: In drei Tiefen (Hautoberfläche, mittlere und tiefe Ebene) wird die Art des Pulses ermittelt. Bestimmt werden Volumen, Rhythmus, Frequenz und Form der Pulse. Damit können Mangel, Fülle oder Disharmonien in den Organen und bei ihren Funktionen unterschieden werden. Der Puls wird an beiden Handgelenken jeweils an drei Stellen getastet: Von der Hand (distal) Richtung Schulter (proximal): Cun, Guan, Chi. An diesen Stellen werden durch Betasten je drei Druckstärken ausgeübt: oberflächlich, mittel, tief. Dabei zeigen sich am linken Handgelenk als Funktionszusammenhänge: CUN – Herz und Dünndarm, GUAN – Leber und Gallenblase und CHI – Niere und Harnblase, Nieren-Yin. Am rechten Handgelenk zeigen sich als Funktionszusammenhänge: CUN – Lunge und Dickdarm, GUAN – Milz und Magen und CHI – Niere und Ming Men, Nieren-Yang.
Erfahrene TCM-Ärzte verfügen über die Erfahrung vieler Jahre in praktizierter Puls- und Zungendiagnostik und über das tradierte Wissen zu beiden Diagnostikbereichen. Dieses fließt inzwischen in die Entwicklung entsprechender Diagnoseapparate der Puls- (36), (37), (38), (39) und Zungendiagnostik (40), (41), (42), ein, die einen Beitrag zu einer auch aus Sicht der modernen westlichen Medizin durch Parameter und Standards „objektivierten“ TCM-Diagnostik leisten werden.(43)
Auch von Ärzten der modernen westlichen Medizin wird nicht-öffentlich oft die Weisheit geteilt „Wer heilt, hat recht“. Zugleich wird dennoch die Validität der TCM von denselben Ärzten oft bezweifelt. Aber sowohl die Auswertungen von Beobachtungsstudien (3), (2) als auch die Monitorings von Behandlungserfolgen (4) als auch der Vergleich zwischen gastroenterologischer Diagnostik und TCM-Diagnostik zeigen (44 ) deutlich, dass TCM auch bereits ohne technische Diagnoseapparate in integrativer Medizin eine hohe Wertigkeit als diagnostisches Instrument besitzt. Es ist erkannt: Die Evidenzbasis für die Standardisierung von TCM-Mustern in ICD-11 kann verbessert werden, wenn TCM-Diagnoseinstrumente im Rahmen der COSMIN-Leitlinien entwickelt und rigoros validiert werden (COSMIN = Consensus-based Standards for the selection of health Measurement Instruments). Diese Leitlinien sollten modifiziert werden, um den Merkmalen und der Einzigartigkeit der TCM-Diagnoseprozesse Rechnung zu tragen. (45) Insofern sollten die Impulse der in den Studien aufgewiesenen Zusammenhänge nicht nur zum Wohl der Patienten genutzt werden. Das Zusammenwirken von moderner westlicher und Traditioneller Chinesischer Medizin kann Aufwände reduzieren und durch erhöhte Effizienz Kosten in Gesundheitssystemen senken.
Von August 2018 bis April 2022 wurden 166 Patienten in die Studie aufgenommen. Alle Patienten stammten aus dem Patientengut des MVZ Ärztehaus Mitte in Berlin und wurden auf eigenen Wunsch parallel zur Diagnostik des Ärztehauses auch in der TCM-Praxis untersucht. Alle Patienten litten unter chronischen Schlafstörungen. Bei 79 Prozent der Patienten waren durch mikrobiologische Untersuchungen des Ärztehauses und seines mikrobiologischen Speziallabors Infektionen mit pathogenen Hefen gefunden worden, bei 24 Prozent Infektionen mit H. pylori und bei 17 Prozent Mischinfektionen (vgl. oben Abschnitt 4).
In Ergänzung der Beobachtung von Organfunktionsstörungen durch Laboranalytik und Sonografie des Ärztehauses wurden dieselben Patienten in der TCM-Praxis durch Anamnese, Ansicht, Pulsdiagnostik und Zungendiagnostik untersucht.
Die Beobachtungen der TCM-Untersuchungen ergab in Korrelation mit Schlafstörungen einen hohen Anteil von Organfunktionsstörungen (vgl. Abb. 11), insbesondere bei Nieren, Leber und Milz). Es wurden neben den fachmedizinisch durch Laboranalytik und Sonographie festgestellten Organfunktionsstörungen weitere Organstörungen gefunden, sodass die Menge der Patienten mit fachmedizinisch festgestellten Störungen (2) eine Teilmenge der mit TCM diagnostizierten Patienten war.
Dabei wurden im Rahmen der TCM-Diagnostik multiple Störungen beobachtet, die in Kombination auftraten (vgl. Abb. 12).
Dabei wurden im Rahmen der TCM-Diagnostik multiple Störungen beobachtet, die in Kombination auftraten (vgl. Abb. 11).
Ziel der TCM-Diagnostikstudie war es, bei Patienten mit chronischen Schlafstörungen (Insomnie) durch TCM-Diagnostik deren Zusammenhang mit Organfunktionsstörungen und der Verursachungskette ihrer Entstehung zu beobachten. Die Studie zielte also darauf ab, die Entstehung und Chronifizierung von Schlafstörungen im Prozess einer fortschreitenden Kettenreaktion besser verstehen zu können.
Chronische Schlafstörungen stehen auch am Ende eines körperlichen Prozesses. Sie sind das Resultat einer fortschreitenden Kettenreaktion. Dabei kann eine infektbedingte Milz-Überbelastung zu einer Nieren-Überbelastung (Milz-Nieren-Yin-Schwäche) führen. Damit verbinden sich Verdauungsstörungen und weitere Organfunktionsstörungen (Leber und Herz) in Wechselwirkungen. Aufgabe der Studie war es, die Prozesse und ihre Wechselwirkungen hinsichtlich der Reihenfolge ihrer Abläufe zu untersuchen und den Zusammenhang zwischen chronischen Schlafstörungen und Organfunktionsstörungen aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin zu beobachten.
Bei chronischen Schlafstörungen wurden erwartungsgemäß kumulierte Organfunktionsstörungen gefunden, also Störungen der Nieren (bei 95 Prozent der Patienten), der Leber (bei 58 Prozent), der Milz (bei 42 Prozent) und des Herzens (23 Prozent). In Kombination wurden Schwächen beobachtet bei Nieren- und Leber (27 Prozent), Nieren und Milz (20 Prozent), Nieren und Herz (zehn Prozent); Nieren, Milz und Leber (18 Prozent), Nieren, Leber und Herz (zehn Prozent) und Nieren, Milz und Herz (zwei Prozent).
Von August 2018 bis April 2022 wurden bei Patienten des Ärztehauses Mitte in Berlin zwei Beobachtungsstudien durchgeführt. (2), (3)
Die Behandlung der diagnostizierten Krankheitsbilder (vgl. oben Absätze 3 und 5) erfolgte auf Wunsch der Patienten durch Kombination fachmedizinischer und komplementärmedizinischer Therapie. Auch die Erfolgskontrolle der Behandlungen im Rahmen ihres Monitorings und die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte auf Wunsch und mit Einverständnis der Patienten. (4)
Im Anschluss an die fachmedizinische und komplementärmedizinische Diagnostik erfolgte die Behandlung der Schlafstörungen durch ursächliche Behandlung der Magen-Darm-Erkrankungen.
Zwecks Stoffwechselstabilisierung und Organstärkung wurde die Behandlung der Infektionen mit Antibiotika durch Einnahme Chinesischer Kräuter und Tees unterstützt sowie durch eine individuelle Ernährungsberatung. Spezielle TCM-Tees und Kräuter wurden zur Behandlung körperlicher Prozesse eingesetzt, an deren Ende sich unbehandelt auch chronische Schlafstörungen zeigen. Die ursächliche Behandlung umfasste die infektbedingten Milz-Überbelastung und in der Folge Nieren-Überbelastung (Milz-Nieren-Yin-Schwäche), sowie Verdauungsstörungen und andere Organfunktionsstörungen (Leber und Herz). Auf Details zur Medikation wird hier bewusst verzichtet, da diese einerseits standardisiert und nach Leitlinien erfolgte, je nach individueller Situation und Einzelbefunden aber auch ergänzt oder variiert wurde. Ernährungs- und Bewegungsempfehlungen waren in diesem Zusammenhang obligatorisch, aber ebenfalls nach Unverträglichkeiten oder Physis angepasst. Medikationen zu Grunderkrankungen (z. B. Diabetes, Blutgerinnungsstörungen) wurden unverändert beibehalten.
Die Patienten wurden in standardisierten Anamnesen mittels Zehnerskalen über ihre subjektiven Einschätzungen der von ihnen empfundenen Beschwerdestärken befragt. Sie wurden gebeten, ihre Schlafqualität, ihr Gesamtbefinden und ihre Verdauung zu bewerten. Es wurden anschließend über einen Zeitraum von einem Jahr fragebogenbasierte Online-Monitorings sowie telefonische Befragungen durchgeführt. Die Monitorings begannen in der Regel eine Woche nach Behandlungsbeginn, die ersten drei Monitorings in wöchentlichem Abstand, dann vierzehntägig, dann bis Ende des sechsten Monats monatlich. Vor dem abschließenden Monitoring nach einem Jahr wurden die Patienten zudem zwischen dem sechsten und zwölften Monat monatlich angerufen und auf Basis des Fragebogens nach ihrem Befinden und ihren Lebensumständen telefonisch befragt.
Die Monitorings zeigten, dass der Behandlungserfolg durch integrierte Ursachenmedizin von einer kontinuierlichen Compliance der Patienten über einen längeren Zeitraum abhing. Entsprechend konnte beobachtet werden: Bei 90 Patienten mit hoher Compliance führte die Behandlung bei 87 Prozent zu guten bis sehr guten Verbesserungen des Schlafs; bei 23 Patienten mit geringer Compliance wiesen nur 35 Prozent gute bis sehr gute Besserungen auf (vgl. Abb. 13 bis 15).
Die Besserungsverläufe bei einzelnen Patientinnen und Patienten zeigen deutlich die Korrelation im Befinden zwischen Schlafstörungen und Compliance über einen langen Zeitraum (6 bis 12 Monate).(Abb. 16).
Es zeigte sich auch, dass psychische Faktoren, etwa Stress durch außergewöhnliche Belastungen, kurzzeitig Einflüsse auf das Schlafgeschehen haben konnten. Bei gleichzeitiger stabiler Verbesserung der Verdauungslage (als Spiegel der Organgesundheit) wurde aber oft eine nachhaltige Besserung des Schlafs beobachtet (Abb. 17).
Infektionen, Verdauungsstörungen und Organfunktionsstörungen sind oftmals Ursachen für chronische Schlafstörungen und nicht erholsamen Schlaf. Zu diesem Ergebnis kommt die Auswertung von zwei Diagnostik-Beobachtungsstudien und einem anschließenden Behandlungsmonitoring von 166 Patienten mit chronischen Schlafstörungen.
Die Patienten wurden parallel allgemeinmedizinisch, labormedizinisch und mikrobiologisch sowie mittels der Diagnostik der traditionellen chinesischen Medizin untersucht. Es wurden bei 92 Prozent der Patienten Verdauungsstörungen, bei 70 Prozent Organfunktionsstörungen und bei 79 Prozent Infektionen und Mischinfektionen festgestellt.
Anschließend wurden die Patienten behandelt. Das Monitoring der Behandlungserfolge unterstreicht, dass Infektionen und Organfunktionsstörungen häufig ursächlich für Schlafstörungen sind. Es zeigt auch, dass nach der Behandlung der körperlichen Ursachen Patienten trotz Stress und psychischer Faktoren nachhaltig erholsamer schlafen.
Verdauungsstörungen und Organfunktionsstörungen stehen oft mit chronischen Schlafstörungen in Korrelation. Diese können demnach auch das Resultat einer Ursachenkette sein, bei der eine infektbedingte Milz-Überbelastung zu einer Nieren-Überbelastung (Milz-Nieren-Yin-Schwäche) führen und mit weiteren Organfunktionsstörungen (Leber und Herz) in Wechselwirkungen stehen.
Therapeutische Aufgeschlossenheit und die kontinuierliche Compliance der Patienten sind Voraussetzungen des Behandlungserfolgs durch integrierte Ursachenmedizin (gleichzeitige abgestimmte Diagnostik und Therapie sowohl durch moderne westliche Medizin als auch Traditionelle Chinesische Medizin). Bei 90 Patienten mit hoher Compliance führte die Behandlung bei 87 Prozent zu guten bis sehr guten Verbesserungen des Schlafs; bei 23 Patienten mit geringer Compliance wiesen nur 35 Prozent gute bis sehr gute Besserungen auf.
Die Ergebnisse der Diagnostik-Beobachtungsstudien und des Monitorings zeigen, dass chronische Schlafstörungen vieler Patienten bei ursächlicher Behandlung generell vermeidbar sein können. Präventiv angewendet können Maßnahmen der TCM viele Schlafstörungen generell vermeiden helfen oder schon im subakuten Stadium Chronifizierungen vorbeugen. Bei Behandlung der körperlichen Ursachen bleiben psychosoziale Faktoren und akute Belastungen durch Stresssituationen oder Schmerzen Auslöser für Schlafstörungen, aber diese bleiben oft kurzzeitige Beschwerden.
Die hohe Zahl chronischer Schlafstörungen in der Bevölkerung sollte auf diesem Hintergrund befragt werden. Denn wenn allgemein- und schlafmedizinische Maßnahmen sich z. B. auf psychosoziale Symptombehandlungen (Schlafmittel) oder Behandlungen von Schlafapnoe konzentrieren, dann besteht die Gefahr, dass Infektionen und Organfunktionsstörungen als Ursachen für Schlafstörungen/nicht erholsamen Schlaf vernachlässigt werden.
Das Behandlungsmonitoring zeigt auch, dass die Compliance der Patienten stark von finanziellen Rahmenbedingungen abhängt. Ein Umdenken der Leistungsträger und Anerkennung der Ergebnisse ursächlicher Behandlung könnte ein gesellschaftlicher Beitrag zur Kostenentlastung im Gesundheitssystem sein.
Würden die Kostenträger Leistungen der integrierten Ursachenmedizin übernehmen, dann wären lange Leidensgeschichten chronischer Erkrankungen vielfach vermeidbar.