Die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts von 2004, Studien zur pathogenetischen Bedeutung der intestinalen Candidabesiedelung für Schlafstörungen durchzuführen, blieb in der medizinischen Forschung weitgehend unbeachtet. Die vorliegende Studie folgt deshalb der Empfehlung und untersucht die mögliche Rolle von Infektionen (insbesondere Candida spec.) und Mischinfektionen (insbesondere Candida spec. und Helicobacter pylori) sowie durch diese ggf. bedingte Organfunktionsstörungen im Zusammenhang mit Schlafstörungen.
166 Patienten mit chronischen Schlafstörungen wurden auf Basis einer umfassenden Anamnese und kombinierten Diagnostik (Serologie, Mikrobiologie, EKG, Ultraschall der Nieren, Milz, Leber, Gallenblase, Pankreas, Gastro-intestinal, Schilddrüse, Gefäße, Prostata, Douglasraum, Ovarien, Uterus, Lymphknoten) untersucht. Es wurden bei 92 Prozent der Patienten Verdauungsstörungen und 70 Prozent Organfunktionsstörungen (beobachtet wurden insbesondere Nieren, Milz, Leber, Gallenblase und Herz) gefunden, bei 79 Prozent Infektionen und Mischinfektionen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Schlafstörungen häufig mit Infektionen und Organfunktionsstörungen auftreten. Wenn also die Behandlung der Infektionen zu einer Verbesserung des Schlafs führt, kann die antimikrobielle Therapie von vernachlässigten oder nicht erkannten Infektionen und der durch sie möglicherweise bedingten Organfunktionsstörungen eine Alternative zu oft nicht nachhaltig zielführenden Behandlungsweisen sein.
Die Rolle von Infektionen (insbesondere Candida spec.) und Mischinfektionen (insbesondere Candida spec. und Helicobacter pylori) sowie durch diese bedingte Organfunktionsstörungen in der Ätiologie von Schlafstörungen ist bisher wenig untersucht In der Regel werden weder die Diagnostik noch die Therapie von Infektionen im Zusammenhang mit Schlafstörungen berücksichtigt (1).
Dies zeigt auch die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) (2). Dort werden Infektionen als Ursache oder Mitverursachung von Schlafstörungen nur allgemein erwähnt und zwar im Zusammenhang mit Fatigue und Erschöpfungszuständen (2 :11), mit Virusinfektionen des ZNS bei letaler familiärer Insomnie (2: 25), bei Hypersomnie (2: 38), insbesondere bei rezidivierender Hypersomnie im Kleine-Levin-Syndrom (2: 92), bei Schlafapnoe im Säuglingsalter als mögliche auslösende Faktoren (2: 136).
Eine besondere Beachtung des möglichen Zusammenhangs zwischen Infektionen mit pathogenen Hefen und Schlafstörungen erfolgt in der S3-Leitlinie („Schlaf/Schlafstörungen“) nicht. Dies legt die Vermutung nahe, dass bei Untersuchungen des möglichen Zusammenhangs zwischen Schlaf und Immunität gegen Infektionen mit pathogenen Hefen mangels Studien dies keine Berücksichtigung findet und lediglich Viren, Bakterien und Parasiten in den Fokus gerückt werden. (3) Ähnlich wie bei den Infektionen werden bei der S3-Leitlinie („Schlaf/Schlafstörungen“) auch Störungen der Organe und ihre Rolle bei der Verursachung von Schlafstörungen nicht systematisch berücksichtigt. Organfunktionsstörungen werden zwar im Rahmen differenzialdiagnostischer Abgrenzungen erörtert (etwa bei Enuresis nocturna (4), eine Wechselwirkung mit Infektionen und Störungen wird nicht betrachtet, ein Zusammenhang mit Störungen des Immunsystems wird nur angedeutet (4: 38). Lediglich im Kontext des Kleine-Levin-Syndroms wird eine autoimmune Grundlage vermutet (4: 92).
Auch eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts von 2004 zur pathogenetischen Bedeutung von intestinaler Candidabesiedelung (5) hat seither kaum Studien initiiert, die diese Lücke schließen könnten Ein Studiendesiderat wird aber in den RKI-Empfehlungen explizit formuliert: „Wie immer, wenn die Datenlage unbefriedigend ist, entsteht Raum für Spekulationen. Eine solche für Patienten wie für die behandelnden Ärzte unbefriedigende Situation lässt sich nur durch sorgfältige Studien und den damit verbundenen Erkenntniszuwachs entschärfen.“ (5: 596) Dieser Hinweis blieb bisher in Hinblick auf die Korrelation von Schlafstörungen und Infektionen und Organfunktionsstörungen unberücksichtigt.
Aufgabe der vorliegenden Studie war es, zur Motivierung sowohl weiterer Studien als auch der Berücksichtigung von Infektionen bei der Therapie bei subakuten und chronischen Schlafstörungen (Insomnie) (6), bei den Betroffenen die Infektionen über Labordiagnostik sorgfältig zu dokumentieren und soweit möglich ihre Organfunktionsstörungen durch Laboranalytik, Sonografie und EKG zu erfassen Die laboranalytisch angewandten Verfahren schließen die in der Allgemeinmedizin bestehende Lücke einer hoch präzisen Materialgewinnung und Auswertung nach evaluierten Kriterien.
Als Organfunktionsstörungen gelten in der vorliegenden Studie körperliche Abläufe und Organveränderungen, durch die Organe ihre Tätigkeit nicht uneingeschränkt ausüben können. Diese Einschränkungen und Veränderungen (z. B. bei einer Niereninsuffizienz) werden durch Laborparameter und sonografische Betrachtung sichtbar, können komplementärmedizinisch auch etwa durch Zungen- oder Pulsdiagnostik bestimmt werden (7).
Zur Unterscheidung von akuten, subakuten und chronischen Schlafstörungen vgl. die Diskussion der Ergebnisse des Vorgehens und der vorliegenden Studie in Abschnitt 5.
Die erholsamen und regulierenden Eigenschaften des Schlafs sind ein Erfahrungswissen, das inzwischen auch wissenschaftlich anerkannt ist. (8), (9) Der Einfluss des Schlafs auf das Immunsystem wurde in den letzten Jahren verstärkt untersucht Etliche Studien zeigten zum Beispiel, dass vollständiger Schlafentzug und REM-Schlafentzug (Rapid Eye Movement) Komponenten des Immunsystems beeinflussen können, etwa den Anteil der Zellsubpopulationen (z. B. CD4+, CD8+ und NK) und die Zytokinwerte (z. B. IFN-g, TNF-a und IL-1) (10), (11), (12). Umgekehrt werden auch die Schlafmuster während der Immunantwort verändert, was darauf hindeutet, dass Schlaf und Immunantwort durch eine bidirektionale Kommunikation miteinander verbunden sind (3). Schlaf ist nicht nur ein physiologischer Zustand, in dem Aktivität und Wachsamkeit abnehmen, sondern ein lebenswichtiger Prozess, der verschiedene physiologische Funktionen reguliert (13), (14).
Wechselwirkungen zwischen Gehirnaktivitäten und Immunsystem betreffen also auch den Schlaf. Es gibt inzwischen Hinweise darauf, dass die Expression von Molekülen wie Neurotransmittern, Hormonen und Zytokinen während des Schlafs moduliert wird. In Humanstudien wurden Veränderungen des Serumspiegels einiger dieser Komponenten während des Schlafs beschrieben. Insbesondere die Sekretion von IL-1𝛽, IL-10, IL-12 und TNF-𝛼 durch Monozyten und dendritische Zellen erreicht während des Schlafs Spitzenwerte, unabhängig von zirkadianen Rhythmen Dieses Verhalten scheint im direkten Zusammenhang mit dem Schlaf zu stehen, denn wenn die Rhythmik dieser Zytokine gestört wird, nehmen die Veränderungen in der Expression ab (15), (16). Die Blutspiegel von Monozyten, T-Zellen und NK-Zellen folgen einem klaren zirkadianen Rhythmus in Bezug auf den Schlaf-Wach-Rhythmus (10). Neuroendokrine Mediatoren wie Prolaktin, Cortisol und Noradrenalin weisen ebenfalls zirkadiane Rhythmen auf, aber ihr Sekretionsmuster ist stärker an den Schlaf-Wach-Zyklus gebunden, und alle diese Substanzen modulieren die Immunantwort (17).
Umgekehrt beeinflussen bestimmte Zytokine den Schlaf, wie z. B. IL1𝛽, das die Dauer des Non-REM-Schlafs verlängert. Dieser Effekt wird aufgehoben, wenn IL-1𝛽-Antagonisten verabreicht werden (18), (19), (20). Die Verabreichung der Zytokine TNF-𝛼 und IFN-𝛼 hat die gleiche Wirkung wie IL-1𝛽 (21), (22), (23). Der Hypothalamus, der Hippocampus und der Hirnstamm beherbergen immunreaktive Neuronen für IL-1𝛽 und TNF-𝛼 und deren Rezeptoren. Diese Neuronen sind in verschiedenen Hirnregionen wie dem Plexus choroideus, dem Hippocampus, dem Hypothalamus und dem Kortex unterschiedlich verteilt. Diese Regionen können an der Regulierung des Schlafs beteiligt sein. Außerdem hat IL-1𝛽 Auswirkungen auf das serotonerge System und steuert den Schlaf auf verschiedenen Ebenen (24), (25), (26).
Aufgrund solcher Interaktion zwischen Komponenten des Immunsystems und den Mechanismen, die den Schlaf steuern, können auch Veränderungen beschrieben werden, die während des Schlafs auftreten, wenn eine Immunreaktion auf einen Krankheitserreger initiiert wird Mehrere Infektionskrankheiten werden mit Schlafstörungen in Verbindung gebracht. Erreger wie Candida albicans und Helicobacter pylori verursachen Schlafstörungen, wenn sie das Atmungs- (27) und das endokrine (28), (29) System sowie das Verdauungssystem (30), (31) beeinflussen (Anm. 1).
Deshalb ist die Frage, welche Rolle pathogene Hefen und Bakterien durch wirkungsverstärkendes Zusammenspiel bei der Korrelation von Schlafstörungen und Entzündungsgeschehen spielen, von besonderem Interesse. Der Zusammenhang von obstruktiver Schlafapnoe und Parodontitis zeigt beispielhaft, wie Infektionen mit Candida albicans und Prevotella melaninogenica Wirkungen verstärken (33).
In einer In-vitro-Studie konnte auch gezeigt werden, dass das InlJ-Protein von Porphyromona gingivalis und das Hyphenprotein Als3 von Candida albicans die Adhäsion zwischen den beiden Mikroorganismen erleichtern und erhebliche Veränderungen in der Genexpression von P. gingivalis verursachen, die das pathogene Potenzial dieser Bakterien erhöhen (34). Eine weitere Studie zeigte die Förderung des Wachstums anaerober Bakterien durch C. albicans-Biofilme, die Sauerstoff entziehen und eine hypoxische Mikroumgebung schaffen (35).
Hier sind sicherlich weitere Studien erforderlich. In der vorliegenden Beobachtungsstudie wurde insbesondere der Zusammenhang zwischen Infektionen mit pathogenen Hefen und Bakterien, Verdauungs- und Schlafstörungen beobachtet, dem im Bereich der Humanmedizin bisher keine Aufmerksamkeit zukam; bei Tieren konnten diese Zusammenhänge aufgewiesen werden (36), (37).
Die vorliegende Beobachtungsstudie steht im Zusammenhang einer Untersuchung der Entwicklung von chronischen Schlafstörungen als Resultat kumulierter und kombinierter Organfunktionsstörungen, die sich aus einer infektionsbedingten Überlastung der Milz und in der Folge der Nieren ergibt (Anm. 2). Es ist aber Aufgabe einer Metaanalyse, durch Vergleich und Auswertung von Studien der Traditionellen Chinesischen Medizin und der westlichen modernen Medizin solche Wechselwirkungen (3), Ursachenketten und Ursachenkreisläufe zu bestimmen (39:Fig.1) (Anm. 3).
Von August 2018 bis April 2022 wurden 166 Patienten aus dem Patientengut des MVZ Ärztehaus Mitte in die Studien aufgenommen.
Die Dauer der Schlafstörungen der Patienten bei Studieneintritt war teils erheblich. Sie lag bei 73 Patienten zwischen 1einem und fünf Jahren, bei 50 Patienten zwischen sechs und zehn Jahren und 43 Patienten gaben an, schon mehr als zehn Jahre an Schlafstörungen zu leiden.
Die Beobachtung der Patienten erfolgte durch Auswertung serologischer und mikrobiologischer Laboranalytik, von Ultraschalluntersuchungen und des EKG-Einsatzes. Die Beobachtung der Patienten erfolgte durch Auswertung serologischer und mikrobiologischer Laboranalytik, von Ultraschalluntersuchungen und des EKG-Einsatzes. Die mikrobiologische Materialgewinnung und die Auswertung des Materials wurden besonders sorgfältig durchgeführt. Schlafstörungen der Patienten wurden im Rahmen von Beschwerdebehandlungen der Patienten in der laufenden ärztlichen Praxis bekannt. Es wurde zur Erfassung der Schlafstörungen eine ausführliche Anamnese durchgeführt (Anm. 4).
Das Material für die mikrobiologische Diagnostik wurde durch sorgfältige Mundabstriche und Stuhlproben nach Normamed-Standards gewonnen. Die Untersuchung auf Hefepilze erfolgte in drei, an unterschiedlichen Tagen gesammelten Stuhlproben. Zunächst wurde Stuhlmaterial auf Sabouraud-2 % Glucose Agar, der mit Chloramphenicol und Gentamycin (SABGC-Agar) versetzt ist, aufgetragen und für bis zu sieben Tage bei 30 °C inkubiert. Sobald Wachstum von hefeförmig wachsenden Pilzen sichtbar war, erfolgte die Differenzialdiagnostik. Diese basiert auf dem Vergleich desselben Isolates auf SABGC-(24 – 48 h bei 30°C) Reis-(24 – 48 h bei Raumtemperatur) und Brilliance™Candida-Agar (24 – 48 h bei 30°C). Die Identifizierung der Hefe erfolgte zum einen durch das RapID™ Yeast Plus System (Remel Inc.,San Diego, CA, USA), dem Analytischer-Profil-Index API® 20 C Aux (bioMérieux, Marcy l’Etoile, Frankreich) oder das ID 32 C (bioMérieux, Marcy l’Etoile, Frankreich) von der bebrüteten SABGC- Platte. Zum anderen wurde der Farbumschlag auf dem Brilliance™Candida-Agar und der Mikromorphologie auf dem Reis-Agar bewertet.
Des Weiteren wurde Stuhlmaterial auf blutfreien Karmali-, S.S.- und Yersinia-Selektivnährboden aufgetragen und in Selenit-Lactose-Bouillon für XLD-Agar angereichert, um auf folgende Durchfallerreger zu testen: Campylobacter, Shigella, Yersinia und Salmonella. Die Inkubation und weitere Verfahrensweise wurde laut den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie umgesetzt (40). Bei Verdacht auf einen pathogenen Erreger erfolgte die Differenzialdiagnostik und die Bestimmung der Resistenzen mit API® Campy (bioMérieux, Marcy l’Etoile, Frankreich), API® 20 E (bioMérieux, Marcy l’Etoile, Frankreich) und dem MicroScan Identifikationssystem (Beckman Coulter, Brea, CA, USA).
Alle hier aufgeführten Voll- und Selektivnährböden wurden von Thermo Fisher Scientific Oxoid Deutschland GmbH (Wesel, Deutschland) bezogen. Die Untersuchung auf Wurmeier wurde nach dem Sedimentationsverfahren von ParasiTrap® Fix Separ® ECO (Biosepar GmbH, Simbach am Inn, Deutschland) durchgeführt. RIDASCREEN® Entamoeba, Cryptosporidium, Giardia (R-Biopharm AG, Darmstadt, Deutschland) wurde zur Diagnostik von Protozoen im Stuhl verwendet. Die Durchführung der Enzyme-Linked Immunosorbent Assays erfolgte laut Herstellerangaben. Ausgewertet wurden die Mikrotiterplatten mit dem Absorptions-Mikroplatten-Reader Sunrise™ und der entsprechenden Software (Tecan Group Ltd., Männedorf, Schweiz).
Auf okkultes Blut im Stuhl wurde mit dem iFOB Kollektor Kit, dem Test Kit, dem dazugehörigen Control Kit (Eurolyser Diagnostica GmbH, Salzburg, Österreich) getestet. Die quantitative immunturbidimetrische Bestimmung erfolgte anschließend mit dem System CUBE-S (Eurolyser Diagnostica GmbH, Salzburg, Österreich).
Verdauungsbeschwerden wiesen 92 Prozent der 166 Patienten mit Schlafstörungen auf, Infektionen 79 Prozent und Organfunktionsstörungen 70 Prozent (vgl. Abb. 1). Bei 77 Prozent der Patienten mit Schlafstörungen war das Bild der Verdauungsbeschwerden auffällig bis stark (Anm. 5).
Bei 70 Prozent der Patienten der Studie wurden Infektionen mit pathogenen Hefen gefunden, bei 24 Prozent Infektionen mit H. pylori und bei 17 Prozent Mischinfektionen (vgl. Abb. 2).
Die Beobachtungen lediglich der sonografischen Untersuchungen ergab in Korrelation mit Schlafstörungen bereits, dass 45 Patienten (27 Prozent) sichtbare Leberfunktionsstörungen und 33 (20 Prozent) Nierenfunktionsstörungen aufwiesen.
Die Beobachtungen dieser Untersuchungen in Kombination mit Untersuchungen der TCM (vgl. Abb. 3 und 4) (38) ergab in Korrelation mit Schlafstörungen noch höhere Anteile von Organfunktionsstörungen (vgl. Abb. 3), insbesondere bei Nieren, Leber und Milz) (Anm. 6).
In der ärztlichen Praxis werden Schlafstörungen weitgehend isoliert betrachtet und im Kontext psychischer oder sozialer Rahmenbedingungen diagnostiziert und behandelt. Die Therapie beschränkt sich oft auf das Verschreiben von Schlafmitteln, die Ermittlung des Schlafverhaltens in Schlaflaboren und die Empfehlung mechanischer Schlafhilfen, die Empfehlung von Entspannungsübungen wie Meditation, von Verhaltensänderungen gegen Übergewicht und Bewegungsmangel, zur Minderung von psychischem Stress bis zur Psychotherapie. All diese Maßnahmen können unterstützend sein, sei es zumindest temporär – oder bei entsprechender Verursachung auch längerfristig.
Beobachtet man aber Patientengeschichten mit langen bis sehr langen chronischen Schlafstörungen (alle in der Studie beobachteten Patienten litten bereits mehr als ein Jahr und bis zu mehr als zehn Jahre an Schlafstörungen), dann findet man bei ganzheitlicher Betrachtung körperliche Ursachen, die nicht berücksichtigt werden und auch in der Fachliteratur leider keine Beachtung finden. Denn die oben genannten empfohlenen Maßnahmen wurden oft indiziert, ohne dauerhaft eine Verbesserung zu bringen. Oft stellen sich noch zusätzlich Nebenwirkungen und problematisches Suchtverhalten bei längerfristigem Konsum der Medikamente ein. In dieser Hinsicht erscheint es sinnvoll, mögliche Verursachungsketten in Betracht zu ziehen, die bisher in der ärztlichen Praxis wenig bis gar nicht berücksichtigt werden.
Einheitliche Definitionen über das, was als „chronische“ Schlafstörungen gilt, gibt es in der Fachliteratur nicht. Quantifizierende Versuche reichen von Angaben wie dreimal wöchentlich über einen Monat oder verweisen auf Störungen von über sechs Monaten. Weitgehender Konsens besteht darüber, das quantifizierende Bestimmungen letztlich nicht zielführend sind, sondern dass das subjektive Schlaferleben und -empfinden der Patienten Maßstab für Schlafstörungen sein sollte: Die meisten Menschen kennen aus eigener Erfahrung die Schlafmenge, die sie benötigen, um erholt und ausgeschlafen zu sein (41).
Als „chronisch“ gilt aber in der Regel eine Schlafstörung (Insomnie), wenn Menschen über einen längeren Zeitraum (mehr als sechs Monate, auch trotz Therapieversuchen) keine Schlaferholung finden und sich in ihrer Lebens- und Leistungsqualität dadurch dauerhaft beeinträchtigt empfinden. Dies ist nicht objektivierbar, zeigt aber die Wahrnehmung eines objektiven Geschehens, das den Störungen zugrunde liegt. Als „akut“ gelten Schlafstörungen, die kurzzeitig (bis ca. vier Wochen) durch oft benennbare Kausalitäten erfolgen, also etwa Störungen durch Lärm, eine Verletzung, einen familiären Konflikt etc. (42). Als „subakut“ gelten Schlafstörungen, die sich schleichend und während einer Dauer von sechs Monaten entwickeln.
Eine interdisziplinäre und medizinübergreifende Betrachtung von Schlafstörungen in der allgemeinmedizinischen und fachärztlichen, der labormedizinischen, der mikrobiologischen und der komplementärmedizinischen Zusammenschau zeigt in der vorliegenden Beobachtungsstudie, dass Schlafstörungen sehr oft mit verborgenen Infektionen, den dadurch möglicherweise bedingten Organfunktionsstörungen sowie Störungen des Immunsystems verbunden sind. Die Ursachenforschung ist hier komplex, da hier von Wechselwirkungen ausgegangen werden kann. Es lässt sich also aus den hier durchgeführten Beobachtungen die These ableiten, dass (Misch-)Infektionen (insbesondere mit pathogenen Hefen der Species Candida) und Bakterien (insbesondere Helicobacter pylori) und Parasiten häufig mit Schlafstörungen korreliert sind. Die vorliegende Beobachtungsstudie macht mit der Beobachtung der Korrelation einen ersten Schritt. Ein Monitoring der Behandlungserfolge von Infektionen und Organfunktionsstörungen kann in einem nächsten Schritt die Verursachungshypothese weiter aufklären.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass Schlafstörungen sehr häufig mit Infektionen und Organfunktionsstörungen auftreten. Wenn also deren Behandlung zu einer erheblichen Verbesserung des Schlafs führt, kann die Therapie von bisher nicht berücksichtigen Infektionen und der möglicherweise durch sie bedingten Organfunktionsstörungen eine Alternative zu nicht nachhaltig zielführenden Behandlungsweisen sein.
Ziel der vorliegenden Studie war es zur Motivierung sowohl weiterer Studien als auch der Berücksichtigung von Infektionen bei der Therapie bei chronischen Schlafstörungen (Insomnie) bei den Betroffenen die Infektionen über Labordiagnostik und die durch Laboranalytik, Sonografie und EKG erfassten Organfunktionsstörungen zu dokumentieren. Der Aufweis der in einer parallelen Studie beobachteten Diagnostikergebnisse der TCM soll den interdisziplinären Austausch zwischen Fach- und Komplementärmedizin zur Diagnostik und Behandlung von Schlafstörungen und Organfunktionsstörungen befördern. Gegenwärtige Studien zeigen, wie trotz der Unterschiede in den Erfassungssystemen wechselseitige Ergänzungen der Verfahren möglich und wissenschaftlich gerechtfertigt sind. Ein Beispiel unter vielen hierfür ist eine 2022 erschienene Studie zu chronischen Nierenerkrankungen, insbesondere auch wegen der Bedeutung der Nierenfunktionsstörungen im Zusammenhang mit Schlafstörungen (7).
Die vorliegende Studie untersuchte die Rolle von Infektionen (insbesondere Candida spec.) und Mischinfektionen (insbesondere Candida spec. und Helicobacter pylori) sowie die durch diese möglicherweise bedingten Organfunktionsstörungen (vor allem Nieren-, Leber-, Galle- und Milz-Funktionsstörungen) im Zusammenhang mit Schlafstörungen. 166 Patienten wurden auf Basis einer umfassenden Anamnese und kombinierten Diagnostik (Serologie, Mikrobiologie, EKG, Ultraschall) untersucht. Es wurden bei 92 Prozent der Patienten Verdauungsstörungen gefunden, bei 79 Prozent Infektionen und Mischinfektionen. Die Ergebnisse zeigen, dass Schlafstörungen sehr häufig mit Infektionen und Organfunktionsstörungen assoziiert sein können. Die Frage, ob Infektionen und mit ihnen verbundene Verdauungs- und Organfunktionsstörungen in Wechselwirkung ursächlich für Schlafstörungen sind, können nur ein Monitoring der Behandlungserfolge und weitere Studien klären.
In Hinblick auf die Therapie wurden die in dieser Diagnostikstudie beobachteten Patienten parallel komplementärmedizinisch untersucht. Puls- und Zungendiagnostik der TCM wurden von den Patienten ergänzend zu allgemein- und fachmedizinischen und labormedizinischen Diagnoseweisen wahrgenommen. Diese und die anschließende schulmedizinische und komplementärmedizinische Behandlung der Patienten waren nicht Gegenstand der vorliegenden Studie. Die Auswertung der Ergebnisse des Monitorings der Behandlungserfolge (43) im Kontext der Diagnostikstudien muss deshalb metaanalytischen Bewertungen überlassen bleiben.
Anm. 1 Manche Erreger infizieren das ZNS und verursachen Schlafstörungen durch systemische Erkrankungen und aufgrund der Immunreaktion, die gegen die Infektion ausgelöst wird oder durch direkte Auswirkungen des Erregers (32). Solche systemischen Erkrankungen waren nicht Gegenstand der vorliegenden Beobachtungsstudie.
Anm. 2 In der Sprache der Traditionellen Chinesischen Medizin: Ursache der Schlafstörungen wäre dann häufig eine Milz-Nieren-Yin-Schwäche, die dann auch in der Folge zu Leber- und Herz-Schwächen führt, in Form einer Kausalkette, an deren Ende chronische Schlafstörungen stehen (38).
Anm. 3 vgl. hierzu (39: Fig. 1.) zum Spektrum der klinischen Manifestationen bei APECED-Patienten mit der Darstellung organspezifischer Autoimmunmanifestationen, die mit unterschiedlicher Häufigkeit bei Patienten mit APECED beobachtet werden. Obwohl diese Studie sich insbesondere auf die Auswirkungen von Funktionsverlust-Mutationen im Autoimmunregulator-Gen (AIRE) fokussiert, wird doch deutlich, welche systemischen Ausmaße die Korrelation mit Candida-Infektionen nehmen kann. Könnte nun etwa in einem Behandlungsmonitoring gezeigt werden, dass die Eradikationen von pathogenen Hefen und die Behandlung von Organfunktionen eine Verbesserung des Schlafs bewirkt, dann sind Metaanalysen und weitere Studien ein Desiderat, die bi- oder multidirektionale Kausalitäten bei Schlafstörungen erörtern und untersuchen.
Anm. 4 Ein Standardfragebogen wurde von den Befragten via Erhebungsprogramm Netigate ausgefüllt und außerhalb der Studie auch zum Monitoring der Behandlungserfolge verwendet.
Anm. 5 Die Patienten wurden in standardisierten Anamnesen (vgl. Anlage) mittels Zehnerskalen auch über ihre Einschätzungen zu subjektiv empfundenen Beschwerdestärken befragt.
Anm. 6 Zur genauen Bestimmung der für Schlafstörungen ggf. relevanten Organfunktionsstörungen fehlt der westlichen Fachmedizin eine diagnostische verfeinerte Technik. Die Nutzung von Ultraschall und serologischer Laboranalytik ergibt ein Organzustands- und Wertebild, das sich durch zum Beispiel die Einbeziehung der Pulsdiagnostik der Traditionellen Chinesischen Medizin ergänzen lässt. Insofern zeigen die erhobenen Ergebnisse zu Organfunktionsstörungen eine Bewertung komplexer Informationen (vgl. (38). Zum Thema vgl. die Ergebnisse einer parallel durchgeführten komplementärmedizinischen Beobachtungsstudie mit demselben Patientengut, das in der vorliegenden Studie beobachtet wurde.